Kolumne in „Frankfurter Rundschau“ vom 8. März 2012, Seite 10
[..] Autos haben, entgegen allen entgegengesetzten Gerüchten, mit der Bewegung von A nach B nur am Rande zu tun. Es sind Kompensationsmaschinen, Cocooning-Geräte, dazu geschaffen, dass wir in einer immer komplexeren Welt noch Autonomiegefühle und Funktionslust erleben können. Autos handeln nicht von Mobilität, sondern von Macht, Kontrolle, Abgrenzung, Status, Erotik. [..]
Dieselben Leute, die im Discounter um jeden Cent bangen, kaufen an der Tankstelle obskure V-Benzinmischungen, als handele es sich um Unsterblichkeitsdrogen. [..]
Wir fahren gerne [Elektro]Auto. Meine Frau und ich surren immer voller Mitgefühl und Staunen an jenen kultischen Tempeln namens „Tankstellen“ vorbei, an denen die Fossilisten ihre letzten Rituale vollziehen. Allerdings sehen die Gläubigen des Benzinkults zunehmend mürrisch dabei aus, wenn sie diese .. diese Rüssel in ihre Fahrzeuge hängen. Wenn sich eines Tages herausstellt, wie pervers das alles ist, könnte es den Fossilisten gehen wie den Amtskirchen. Man bedauert wortreich ihren Niedergang – und wendet sich diskret lukrativeren Beschäftigungen zu.