Toleriertes Gehwegparken – so macht es Darmstadt

Das illegale Gehwegparken wird in vielen Städten geduldet – auch in Darmstadt. Doch welche Kriterien setzt die Stadt an?

In diesem Beitrag sind offizielle Aussagen zusammengetragen, die öffentlich genannt wurden, sowie Aussagen, die in Schriftstücken erfolgt sind.

Hinweis: Die Dokumente geben den Sachstand zum Zeitpunkt der Erstellung des jeweiligen Schriftstücks wieder. Es ist durchaus möglich, dass die Stadt Darmstadt ihre Sichtweise zukünftig ändert.

Inhalt

Schreiben von der Kommunalpolizei an Martin Huth, November 2016 [Auszug]

Eine aus kommunalpolizeilicher Sicht ausreichende Gehwegbreite war vorhanden (hier ca. 1,20 m). Auf die Ahndung des Gehwegparkens wurde daher verzichtet.

Dies wird an verschiedenen Stellen des Stadtgebietes, nicht zuletzt auf Grund des hohen Parkdrucks so gehandhabt, sofern eine ausreichende Gehwegbreite verbleibt. Die Entscheidung, ob die verbleibende Gehwegbreite ausreichend ist bzw. ob aus ihrer Sicht eine Behinderung vorliegt, treffen die Bediensteten vor Ort, unter Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens und im Rahmen des Opportunitätsprinzipes.

Diese von Ihnen kritisierte Handhabung der Kontrollen mit „Augenmaß“ unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten hat sich bewährt und wird auch weiter so fortgesetzt werden. Dass die Kommunalpolizei sensibel und verantwortungsvoll mit dieser Thematik umgeht, beweist die Anzahl der eingeleiteten Verwarnungsgeldverfahren bezüglich des Parkens auf Gehwegen (seit Beginn diesen Jahres wurde 7309 Verfahren diesbezüglich eingeleitet).

Magistratsvorlage Nr. 2016/0302 von August 2016. Thema: Bürgerhaushalt 2016 – Vorschlag „Freie Gehwege, wenn kein hoher Parkdruck besteht“ (Auszüge)

Blogeintrag dazu

Vergleichbare Vorschläge wurden bereits zum Bürgerhaushalt 2013 und 2014 eingebracht.
Der Magistrat hatte im Jahr 2013 bereits einer Ahndung des Gehwegparkens unter Berücksichtigung und Abwägung der im konkreten Einzelfall bestehenden Interessen zugestimmt. An der Begründung dieser Vorlagen wird festgehalten. Darin hieß es:

[..] Hinsichtlich des Gehwegparkens gibt es zahlreiche Fälle, in denen eine Ahndung geboten ist.
Dies belegt die Anzahl von 9.132 Verwarnungen im Jahr 2013, 10.539 Verwarnungen im Jahr 2014 und 9.386 Verwarnungen die im Jahr 2015 erteilt worden sind. Eine Ahndung erfolgte insbesondere dann, wenn die verbleibende Breite des Gehweges nicht mehr ausreicht, um mit einem Rollstuhl oder Kinderwagen an dem abgestellten Fahrzeug vorbeizukommen. [..]

In vielen Bereichen im Stadtgebiet wird teilweise seit Jahren mit zwei Rädern, in wenigen Fällen auch mit dem ganzen Fahrzeug, auf dem Gehweg geparkt, ohne dass eine Behinderung des Fußgängerverkehrs vorliegt. In diesem Fällen hat es sich bewährt, das Gehwegparken zu tolerieren, da der hohe Parkdruck vielerorts keine Alternative zulässt bzw. das Parken am Fahrbahnrand sogar zur Behinderung führen würde. An dieser Praxis sollte festgehalten werden.


Magistrat-Antwort auf Kleine Anfrage des Stadtverordneten Hang (Uffbasse), von Dezember 2014 [Auszüge]

Die Untere Straßenverkehrsbehörde geht [..] von einer Mindestgehbreite von 1,20 m aus, da dies der Flächenbedarf von einem Rollstuhlfahrer ist. [..]

Konkrete Anweisungen, in welchen Situationen bzw. bei welcher Restgehwegbreite Gehwegparken zu ahnden ist, gibt es nicht. [..]

Es ist eindeutig, dass alle Fahrzeugführer, die ihr Fahrzeug auf dem Gehweg abstellen [..], eine Ordnungswidrigkeit begehen. Das Opportunitätsprinzip besagt, dass die Behörde zu einem Eingreifen berechtigt, aber zu einem Einschreiten nicht verpflichtet ist. Sie entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Ermessen üben die Ordnungskräfte aus, die die Situation vor Ort bewerten und auf Grund ihrer Erfahrung und Kenntnis der örtlichen Gegegebenheiten beurteilen.

Gezeichnet: Stadträtin Zuschke, Bürgermeister Reißer

Schreiben  vom Magistrat an Hr. Hang (PDF)


Magistratsvorlage Nr. 2014/0271 von Juli 2014. Thema: Bürgerhaushalt 2014 – Vorschlag „Gratis breitere Gehwege durch Beendigung des illegalen Gehwegparkens“ (Auszüge)

Blogeintrag dazu

In vielen Bereichen im Stadtgebiet wird teilweise seit Jahren mit zwei Rädern, in wenigen Fällen auch mit dem ganzen Fahrzeug, auf dem Gehweg geparkt, ohne dass eine Behinderung des Fußgängerverkehrs vorliegt. In diesem Fällen hat es sich bewährt, das Gehwegparken zu tolerieren, da der hohe Parkdruck vielerorts keine Alternative zulässt bzw. das Parken am Fahrbahnrand sogar zur Behinderung führen würde. An dieser Praxis sollte festgehalten werden.


Magistratsvorlage Nr. 2013/0424 von November 2013. Thema: Bürgerhaushalt 2013 – Vorschlag „Ahndung des Gehwegparkens“ (Auszüge)

Blogeintrag dazu

Das Gehwegparken ist nach der Straßenverkehrsordnung verboten, soweit es nicht durch Zeichen oder Markierungen besonders zugelassen ist, und kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Bei der Ahndung des Gehwegparkens gilt wie bei allen Ordnungswidrigkeiten das Opportunitätsprinzip. Die Kommunalpolizei erteilt Verwarnungen regelmäßig mit Augenmaß, indem sie eine Abwägung zwischen den verschiedenen Belangen vornimmt. Zu Berücksichtigen sind insbesondere die Interessen der Anwohner an einem wohnortnahen Abstellplatz für ihr Fahrzeug, der Geschäftleute an einer Abstellmöglichkeit für deren Kunden und der anderen Verkehrsteilnehmer, vor allem von Fußgängern, an einem gefahrlosen Passieren der abgestellten Fahrzeuge.
Hinsichtlich des Gehwegparkens gibt es zahlreiche Fälle, in denen eine Ahndung geboten ist.
Dies belegt die Anzahl von 9.132 Verwarnungen, die im Jahr 2013 erteilt worden sind. Eine Ahndung erfolgte insbesondere dann, wenn die verbleibende Breite des Gehweges nicht mehr ausreicht, um mit einem Rollstuhl oder Kinderwagen an dem abgestellten Fahrzeug vorbei zu kommen.
Auf der anderen Seite lässt die aktuelle Parkraumsituation mit einem hohen Parkdruck in Bezirken mit einem hohen Anteil an Wohnraum und Geschäften (z. B. Bessungen, Johannesviertel, Martinsviertel) eine sofortige und umfassende Ahndung des Gehwegparkens nicht zu. Hier sind notwendige Alternativen zum Gehwegparken für Anwohnerinnen und Anwohner, Kundinnen und Kunden zu entwickeln, denn ohne ausreichende (Park-)alternativen würde eine intensive Kontrolle nicht auf die notwendige Akzeptanz bei der Bewohnerschaft stoßen.


Magistrat-Antwort auf Kleine Anfrage der Stadtverordneten Hübscher-Paul (Die Linke), von Juli 2013 [Auszüge]

Original-Dokument
Da [die] Beschilderung [zum legalisierten Gehwegparken]  beziehungsweise Markierung nur in den seltensten Fällen im Stadtgebiet (gerade in den reinen Wohngebieten) vorhanden ist, könnte rein rechtlich jeder PKW, der mit 2 Rädern auf dem Gehweg abgestellt ist, notiert und der Fahrer mit einem Verwarnungsgeld belegt werden. Dies ist aber aus kommunalpolizeilicher Sicht problematisch. Es gibt Bereiche im Stadtgebiet, an denen teilweise seit Jahren mit zwei Rädern oder in Ausnahmefällen auch mit dem ganzen Fahrzeug auf dem Gehweg geparkt wird. Da vielfach die örtlichen Gegebenheiten keine Alternative zulassen (hoher Parkdruck, beidseitiges Parken durch geringe Straßenbreite bei korrekter Parkweise nicht möglich), sind die Bediensteten der Kommunalpolizei gehalten, die Verstöße im Rahmen des Opportunitätsprinzips nicht zu ahnden, solange keine Behinderungen vorliegen.

Soweit Fußgänger oder z.B. Rollstuhlfahrer nicht behindert werden, d.h. ein ausreichend breiter Gehweg trotz des abgestellten Fahrzeuges verbleibt, erscheint es vertretbar, das Parken zu tolerieren. Anderenfalls würde die enge Auslegung der Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung zu massivem Parkraumverlust führen. Leider kommt es immer wieder vor, dass Fahrzeugführer ihr Fahrzeug behindernd auf dem Gehweg abstellen. Dies wird durch die Kommunalpolizei im Rahmen des allgemeinen Streifendienstes kontrolliert. Im Jahr 2012 wurden insgesamt 9.132 kostenpflichtige Verwarnungen wegen Parkens auf dem Gehweg veranlasst. [..]

Die Pläne des Magistrats zur Bewirtschaftung der Stellplätze im öffentlichen Raum im Stadtkern sollen einen Beitrag zur Lösung des Problems entwickeln. Der Magistrat hat hierzu einen Parkbeirat einberufen, der gemeinsam mit Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort Lösungen entwickelt, die sowohl das Abstellen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Raum klar regeln als auch dem Bedürfnis der Fußgängerinnen und Fußgängern auch sicheren und ausreichen dimensionierten Gehwegen Rechnung trägt.

Gezeichnet: Stadträtin Lindscheid


Anregungen aus der Bürgerversammlung zur Fahrradstraße Pankratiusstraße, Pos. 6.3,
April 2013

Im Ordnungswidrigkeitsrecht gilt das Opportunitätsprinzip, d.h. die Behörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen ob und wie eingeschritten wird. Dies lässt auch die Möglichkeit zu, Fahrzeuge auf dem Gehweg zu dulden, wenn dies aufgrund der baulichen Gegebenheiten möglich ist und keine weiteren Gründe entgegenstehen. Grundsätzlich nicht duldungsfähig ist das Parken auf dem Gehweg mit Behinderung, d.h. wenn der verbleibende Restgehweg in der Regel 1 Meter unterschreitet.
Rad fahrende Kinder, Mütter mit Kinderwagen und Rollstuhlfahrer dürfen nicht daran gehindert werden, den Gehweg ordnungsgemäß zu benutzen.


Schreiben von Bürgermeister Reißer an Martin Huth, September 2012 [Auszug]

Von Seiten des Bürger- und Ordnungsamtes ist es nicht vorgesehen, das Parken von Fahrzeugen auf dem Gehweg, soweit von diesen keine Behinderung ausgeht, zu ahnden. Die Durchsetzung des grundsätzlichen Verbotes des Gehwegparkens würde zu einer ganz erheblichen Reduzierung von Parkraum führen. Angesichts der bereits jetzt in vielen Stadtvierteln bestehenden Parkplatznot wäre eine solche Maßnahme nicht zu vertreten.


Schreiben von Bürgermeister Reißer an Martin Huth, Juni 2012 [Auszug]

Da vielfach die örtlichen Gegebenheiten keine Alternative zulassen (hoher Parkdruck, beidseitiges Parken durch geringe Straßenbreite bei korrekter Parkweise nicht möglich), sind die Bediensteten der Kommunalpolizei gehalten, die Verstöße im Rahmen des Opportunitätsprinzips nicht zu ahnden, solange keine  Behinderungen (z.B. fehlende Restgehwegbreite) vorliegen. Im Grunde wäre ohnehin in vielen Fällen das „Legalisieren“ von Gehwegparken auf (über-)breiten Gehwegen durchaus denkbar, jedoch ist dies mit einem hohem Aufwand an Material (Schilder, Markierungen) und Personal (Kolonne 66/3ST) verbunden.


Ich frage mich: wird das Opportunitätsprinzip hier nicht überstrapaziert?

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