Stuttgarter Bahn-Manifest

Fünfzehn Forderungen für eine neue Bahnpolitik

20 Jahre nach der Bahnreform und 20 Jahre nach der ersten Präsentation von Stuttgart 21 müssen Konsequenzen gezogen, die Bahn wieder auf das richtige Gleis gesetzt werden.

Das nachfolgende Manifest wurde auf der Konferenz „Kopf machen in der Bahnpolitik – 20 Jahre Bahnreform, 20 Jahre Stuttgart 21“, die vom 25. bis 27. April 2014 in Stuttgart stattfand, diskutiert, verabschiedet und bei der Samstagskundgebung auf dem Marktplatz den ca. 4.000 Kundgebungsteilnehmern unter großem Beifall vorgestellt.

1.
Mit einer Reform der Bahnreform werden die Lehren aus dem Fiasko von Stuttgart 21 und der ausgebliebenen Verkehrswende nach der Bahnreform von 1994 gezogen. Die Bahn wird nicht weiter auf Rendite fixiert und Lobbyinteressen und undurchsichtigen Machtkalkülen ausgeliefert. Die Zeit der Herrengremien ist vorbei (derzeit ist nur je eine Frau in Aufsichtsrat und Vorstand, obwohl die Mehrheit der Bahnnutzenden Frauen sind). Die neue Bahn verbindet Wirtschaftlichkeit mit Transparenz und Bürgernähe. Sie wird öffentlich und demokratisch legitimiert und arbeitet gleichstellungsorientiert. Sie verzichtet auf einen Börsengang, Teilverkäufe und andere Formen der Privatisierung sowie auf globale Geschäfte.

2.
Der Bundestag erlässt in Abstimmung mit den Ländern ein Fernbahngesetz gemäß Art. 87e GG mit guten Bedienungsstandards für ein IC/ICE- und InterRegio-Netz mit vielen Knoten und dichtem Takt.

3.
Die Flächenbahn ist die strategische Antwort auf das alltägliche Staufiasko: Fern- und Nahverkehre erschließen alle Regionen mit einem dichten Netz und im integralen Deutschlandtakt.

4.
Die Renaissance der Bahnen erfolgt mit tausenden kleinen Modernisierungs- und Ausbauprojekten, Streckenreaktivierungen und neue Haltepunkten. Ein modernes InterRegio-System verbindet alle Ober- und Mittelzentren im Taktverkehr und bietet dem liberalisierten Fernbusverkehr Paroli. Ein europäisches Nachtzugnetz mit vielen Relationen und attraktiven Tarifen bietet Alternativen zum Luftverkehr.

5.
Das Bahnnetz wird elektrifiziert als Basis regenerativer Elektromobilität.

6.
Innovativer Lärmschutz und sensible Trassierung sichern eine gute Akzeptanz des Schienenverkehrs bei Anliegern und Fahrgästen und verbessern die Lebensqualität längs der Strecken.

7.
Regionale Güterbahnen mit dezentralen Umschlaganlagen und Gleisanschlüssen für Gewerbegebiete »entlastern» die Straßen. Beides sorgt für mehr Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz der Güterbahnen.

8.
Eine sozial gerechte »Netzfahrkarte für Alle» (Bürgerticket) macht Bahnfahren wieder populär und rechnet sich. Eine fahrleistungsabhängige Lkw- und Pkw-Maut für alle Straßen sichert den Unterhalt der Infrastruktur und begrenzt den Straßenverkehr.

9.
Ein Umweltverbund aus öffentlichem Verkehr, öffentlichen Autos (Car Sharing und Mitnahmedienste), Leihfahrradsystemen und attraktivem Fuß- und Fahrradverkehr unterstützt die Verkehrswende.

10.
Ein bundesweites System lokaler und regionaler Mobilitätzentralen integriert und koordiniert die Angebote der nachhaltigen Mobilität über eine zentrale Webadresse und Telefonnummer.

11.
Grenzüberschreitende Aufgabenträger- und Verkehrsverbünde sichern in den Euregios den kleinen Grenzverkehr. Nahverkehrsprojekte erhalten bei den Europäischen Verkehrsprojekten Priorität. Technik- und Personalstandards der europäischen Bahnen werden auf hohem Niveau harmonisiert.

12.
Die Zweiteilung Deutschlands in urbane Räume mit ÖPNV-Priorität und ländliche Räume mit Autopriorität wird überwunden. Attraktive Regionalbahnen und Bussysteme mit Mini-, Midibussen, Rufbussen sowie kombiniertem Personen- und Gütertransport sichern die ländliche Mobilität.

13.
Der Öffentliche Verkehr wird Innovations- und Wachstumsmotor. Durch eine Kommunikationsoffensive überwindet er das Image als defizitärer Subventionsempfänger. Dazu gehören professionelle, emotionale Werbung, gute Fahrplan- und Tarifinformationen sowie moderne Fahrgastinformationssysteme mit Echtzeitauskunft.

14.
Bürger und Öffentlichkeit werden bei allen Verkehrs- und Infrastrukturprojektplanungen von Anfang an beteiligt. Alle sinnvollen Alternativen werden geprüft.

15.
Die Zeit der unkalkulierbaren Bahn-Großprojekte mit zweifelhaftem Nutzen und unklarer Wirtschaftlichkeit geht zu Ende. Stuttgart 21 ist ein Anachronismus. Ein Aus- bzw. Umstieg ist Voraussetzung einer zukunftsfähigen Bahnpolitik – die ausgearbeitete Alternative liegt vor: ein optimierter Kopfbahnhof (K21).

Quelle: PDF S. 13

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