Radweg-Benutzungspflicht

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Radfahrer sind auf der Straße sicherer als auf Radwegen. Deshalb dürfen benutzungspflichtige Radwege nur im Ausnahmefall angeordnet werden.

In Darmstadt gibt es – wie in vielen anderen Städten – viele benutzungspflichtige Radwege, welche den Anforderungen nicht genügen und bei denen deshalb die Benutzungspflicht aufgehoben werden muss.

Zu diesem Thema hat die Stadt Mainz einen lesenswerten Leitfaden erstellen lassen mit dem Titel „Leitfaden zur Überprüfung der Radwegebenutzungspflicht in Mainz“ (PDF 62 Seiten).
Auch vom Land Niedersachsen gibt es einen solchen Leitfaden (PDF 44 Seiten).

Auf dieser Seite des ADFC NRW gibt es Tipps: „Was kann vor Ort gegen die Radwegbenutzungspflicht getan werden?“

Eine Benutzungspflicht darf demnach nur angeordnet werden, wenn „aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigt.“ So steht es in der Straßenverkehrsordnung (§ 45, Abs. 9, Satz 2).
Benutzungspflichtige Radwege, die allein aus Gründen eines verbesserten Verkehrsablaufs zur Trennung des „langsamen Radverkehrs vom schnellen Kfz-Verkehr“ angelegt wurden, sind gemäß eines Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010 auf die tatsächliche Gefahrenlage des Straßenraums zu untersuchen.

Aber auch bei Vorliegen einer „Gefahrenlage“ kann nicht jeder Radweg als benutzungspflichtig ausgewiesen werden, denn dazu müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein.

Inhalt

Bedingungen zur Ausweisung der Benutzungspflicht

Feststellung der Gefahrenlage

In Tempo-30-Zonen sind benutzungspflichtige Radwege ausgeschlossen, „da diese gerade zur Beruhigung von Wohnstraßen, Vermeidung von Unfällen und zum Schutz von schwächeren Verkehrsteilnehmern eingerichtet werden.“ (§ 45 Abs. 1c StVO).

An Unfallschwerpunkten (im Leitfaden > 6 Unfälle/Jahr an einer Stelle) kann der Kfz-Verkehr vom Radverkehr getrennt werden.
Im Umkehrschluss gilt: bei geringer Anzahl ähnlich gelagerter Unfälle an selber Stelle (i. d. R. weniger als 6/Jahr) insbesondere mit Radfahrerbeteiligung auf der Fahrbahn ist eine Benutzungspflicht unbegründet.

Stark befahrene Straßen
Die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht ist unbegründet wenn..

  • Schwerverkehrsanteil unter 6% UND
  • bei Fahrbahnbreiten ab 7m:
    • Verkehrsbelastung ≤ Fall II der Diagramme aus Kap 2.3.3 ERA
    • Verkehrsbelastung ≤ Fall III der Diagramme aus Kap 2.3.3 ERA, wenn Schutzstreifen und/oder Gehweg mit Radverkehrsfreigabe existieren
  • je Fahrbahn bei Fahrbahnbreiten bis 6m:
    • maximal 500 Kfz/h bei maximal 50km/h
    • maximal 800 Kfz/h bei maximal 30 km/h
  • je Fahrbahn bei Fahrbahnbreiten zwischen 6 und 7m:
    • maximal 500 Kfz/h bei maximal 30 km/h
  • wenn Straßenbahn auf Fahrbahn (zusätzliche Bedingungen):
    • bis 30 km/h: wenn kein starkes Gefälle und nur kurze Streckenabschnitte, dann Radverkehr im Gleisraum (Verkehrsraum) der Straßenbahn möglich
    • bis 50 km/h: Abstand Bord zu Verkehrsraum Straßenbahn mindestens 1,3m bzw. Abstand Parkstand zu Verkehrsraum der Straßenbahn mindestens 1,8m

Quelle: Leitfaden, S. 16

Bauliche Voraussetzungen

Die Radwegebenutzungspflicht ist erfüllt bei:
a) Flächen für Fußgänger

  • bis zu dreigeschossigen Wohngebäuden in geringer Dichte: eine verfügbare Fußwegbreite von durchgehend
    • 1,8m (anbaufrei)
    • 2m (bei Hauswand, Einfriedung über 50 cm)
  • gemischter Wohn- und Geschäftsnutzung mittlerer Dichte, 3 bis 5 Geschosse: eine verfügbare Fußwegbreite von durchgehend
    • 2,3m (anbaufrei)
    • 2,5m (bei Hauswand, Einfriedung über 50 cm)
  • Geschäftsstraße hoher Dichte: eine verfügbare Fußwegbreite von durchgehend
    • 4,3m (anbaufrei)
    • 4,5m (bei Hauswand, Einfriedung über 50 cm)
  • überschaubaren Engstellen eine Fußwegbreite von minimal 1,5m (maximale Länge der Engstelle: 50m)
  • an ÖPNV-Haltestellen: Seitenraumbreite von mindestens 3,5m (mindestens 1m Ein- und Aussteigebereich, gemeinsamer Fuß- und Radweg mindestens 2,5m)

Quelle: Leitfaden, S. 21

– UND –

b) Flächen für Radfahrstreifen

  • lichte Breite
    • Einrichtungsradweg (baulich angelegter Radweg) mindestens 1,5m
    • Radfahrstreifen 1,5m
    • Radspur eines getrennten Fuß- und Radwegs mindestens 1,5m
    • linker Radweg (Zweirichtungsradweg) mindestens 2m
    • gemeinsamer Fuß- und Radweg (auch als Zweirichtungsradweg)
      • innerorts 2,5m
      • außerorts 2m
  • erforderlicher Zuschlag zu lichten Breite
    • bei Führung entlang von Längsparkständen mindestens +0,5m
    • wenn Radweg unmittelbar an Fahrbahnrand geführt +0,25m
    • bei Führung entlang von Senkrecht- und Schrägparkständen bei möglichem Fahrzeugüberhang mindestens +0,7m
  • bei unvermeidlichen Engstellen gilt eine minimale Breite
    • von 1m bei punktuellen Einengungen
    • von 1,25m bei einer Länge bis 50m
  • minimalem Abstand zwischen zwei Engstellen von 30m

Quelle: Leitfaden, S. 28

– UND –

c) Oberflächenqualität

  • Eine befestigte Oberfläche (Asphalt, Pflaster) gegeben ist, die eine hinreichend erschütterungsarme Befahrung mit der Rad ermöglicht, d.h. Bewertung des Zustands durch Befahrung mit mindestens „mittel“; d.h.
    • kein grobes Natursteinpflaster,
    • keine ungebundenen Sandwege und
    • keine Unebenheiten (Schwellen, Kanten) mit einem Höhenunterschied größer als 3cm
    • keine Aufwölbungen größer als 6cm
  • Keine häufige Führung des Radverkehrs über unebene Baumscheiben (d.h. Abstände weniger als 25m)
  • Keine häufigen Gefällewechsel in Längsrichtung an Einfahrten (d.h. Abstände weniger als 25m)

Quelle: Leitfaden, S. 39

Radwegebenutzungpflicht- Flussdiagramm 2


Benutzungspflichtige Radwege in Darmstadt

Bei welchen benutzungspflichtigen Radwege in Darmstadt muss die Benutzungspflicht aufgehoben werden?

Dies soll beispielhaft an zwei Straßen gezeigt werden.

Dornheimer Weg

Straße zwischen und Richtung Typ
Dornheimer Weg Rodensteinweg Zweifalltorweg Innenstadt getrennter Geh- und Radweg


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Gefahrenlage:

Tempo-30-
Zone
Unfall-
schwerpunkt
Fahrbahn-
breite
< 500
Kfz/h
< 6%
Lkw-Anteil
zul.
Geschw.
Straßen-
bahn
Fahrbahn
sicher?
nein nein 6,00 m ja ja 50 km/h nein JA

Bauliche Voraussetzung:

Flächen für Fußgänger Flächen für Radfahrstreifen Bauliche Voraussetzung
Dichte Fußwegbreite gefordert OK? lichte Breite gefordert + Zuschlag OK? erfüllt?
gering 1,65-1,80 m 1,80 m fast 1,30-1,40 m 1,50 m 0,25 m (direkt am Fahrbahnrand) nein NEIN

Fazit: Benutzungspflicht aufheben!


 Kranichsteiner Straße

Straße zwischen und Richtung Typ
Kranichsteiner Straße Martin-Luther-King-Ring Rhönring Innenstadt gemeinsamer Geh- und Radweg


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Gefahrenlage:

Tempo-30-
Zone
Unfall-
schwerpunkt
Fahrbahn-
breite
< 500
Kfz/h
< 6%
Lkw-Anteil
zul.
Geschw.
Straßen-
bahn
Fahrbahn
sicher?
nein nein 6,05 m nein ja 50 km/h nein NEIN

 

Bauliche Voraussetzung:

Flächen für gem. Geh- und Radweg
lichte Breite gefordert erfüllt?
2,20-2,60 m 2,50 m fast

 

Fazit:

  • Untersuchung auf alternative Maßnahmen zur Verringerung des Gefährdungspotentials auf der Fahrbahn (z.B. Schutzstreifen)
  • Ertüchtigung der Radverkehrsanlage (wassergebundene Decke durch Asphaltdecke ersetzen)

Verkehrswende für Darmstadt