Darmstadt – 2030 und heute

Wie ist die Mobilitäts-Situation in Darmstadt heute?
Wie könnte sie im Jahr 2030 besser werden?

Ich habe meine Gedanken in diesem Beitrag zusammengefasst.

Inhalt

Mobilität in Darmstadt heute

a) Positives

  1. Die Verwaltung ist guten Willens, Radverkehrsanlagen anzulegen. Personell ist sie leider völlig unterbesetzt.
    Es wird versucht, zumindest die Hauptachsen durch die Stadt in Schuss zu bringen. Das Zeitfenster wird bis „Ende 2017, teilweise auch 2019“ angegeben. (Blog)
  2. Bei der Konversionsfläche Lincolnsiedlung wurde der Stellplatzschlüssel auf 0,8 Kfz/WE und Sammelgaragen reduziert. (Blog)
  3. Weiterhin ist die Fahrradmitnahme im RMV möglich und kostenlos.
  4. Weiterhin darf man weite Teile der Fußgängerzone mit dem Rad befahren.
  5. Die Darmstädter CriticalMass hat inzwischen regelmäßig 200-300 Teilnehmer. (Facebook-Seite)
  6. Der Verein weGErecht e.V. setzt die rechtlichen Regelungen bezüglich Gehwegparken und Radwegbenutzungspflicht sukzessive durch.

b) Negatives

  1. Die Autoverliebtheit ist in Darmstadt sehr hoch. Sobald irgendwo Fahrspuren reduziert werden sollen, gibt es Bürgerinitiativen, die dann auch gehört werden und zu faulen Kompromissen führen. Beispiel: Grafenstraße (direkt an der Fußgängerzone, Zeitungsartikel), Frankfurter Straße (Eingang Merck, jeden Tag 5.000 Fußgänger, Zeitungsartikel).
  2. Die Reduktion von Kfz-Stellplätzen im öffentlichen Raum sowie die Reduktion des illegalen Gehwegparkens ist trotz zaghafter Versuche der Verwaltung ein No-Go.
    Gefasste Beschlüsse werden nicht umgesetzt, Pilotprojekte zeitlich um Jahre geschoben usw.
    Bei Bürgerveranstaltungen kommen regelmäßig die Autoliebhaber zu Wort, mit dem Totschlagargument „wo sollen die Autos denn hin?“. Auf die Frage der Moderation: „Ich habe das Gefühl, Sie wünschen, dass alles so bleibt, wie es ist.“ gab es breite Zustimmung. Ich war der einzige Teilnehmer, der freie Gehwege forderte, und wurde fast angefeindet. (Blog)
  3. Sobald man aus der Stadt rauskommt und in die Landkreisgemeinden schaut, zeigt sich die Autoverliebtheit noch deutlicher. Die wenigen Radfahrer verhalten sich defensiv, Radwege sind benutzungspflichtig, obwohl sie es nicht sein dürften usw.
    Es werden viele Umgehungsstraßen gebaut. Wenn HessenMobil sie nicht sinnvoll findet, gibt es Bürgerbegehren, welche sie trotzdem durchsetzen (Zeitungsartikel).
  4. Die Darmstädter Bahnhöfe sind – bis auf den Haupt- und Ostbahnhof – in beklagenswertem Zustand. Die Bahn verspricht seit Jahren Besserung, alleine es passiert nichts.
    Gute Vorschläge seitens der Stadt oder der Bürger werden von der Bahn bestenfalls ignoriert oder sogar bekämft.
    Beispiele: Mehr Zugänge zu den Bahnsteigen (DA Nord), Verlegung eines Haltepunktes in die Nähe der vorhandenen Straßenbahnhaltestelle (DA Kranichstein, Blog), Durchstich einer Unterführung (DA Eberstadt).
  5. Die vor zehn Jahren privatisierte Odenwaldbahn fährt am Rande ihrer Kapazität, vor allem zur Hauptverkehrszeit. Dabei hat die Verkehrswende noch gar nicht begonnen.
    Die Strecke ist größtenteils eingleisig und nicht elektrifiziert. Verspätungen schaukeln sich auf. An wichtigen Schnittstellenbahnhöfen (Babenhausen) warten die DB-Züge nicht auf die Privatbahn und umgekehrt.
    An Planungen zum Ausbau der Strecke ist nicht zu denken.
  6. Drei Bundesstraßen führen mitten durch Darmstadt. An ein Tempolimit auf 30 km/h ist nicht zu denken (Blog). Fußgänger queren ebenerdig und laufen wie die Hasen, weil sie die Unterführungen nicht benutzen wollen.
  7. Wo auch immer etwas saniert wird, werden Fußgängerampeln gebaut. „Sicherheit“ geht vor, und Zebrastreifen sind angeblich nicht sicher.
  8. Die „Verkehrswende-Szene“ in Darmstadt ist sehr klein.
    Die „Aktiven“ kommen hauptsächlich aus dem Umfeld des ADFC, des AStA und der Lokalen Agenda.
  9. Von einem Bürgerticket analog zum Semesterticket hört man nichts. Das „Wiener Modell“ (365-EUR-Jahreskarte) wurde diskutiert, aber aufgrund der Kosten direkt wieder beerdigt.
  10. Straßenbahn-Ausbaupläne in die Region (Weiterstadt, Roßdorf) kommen nicht voran. Es gibt gute Ideen, z.B. zur Stadt-Land-Bahn von ProBahn/VCD. Aber die Region scheint nicht interessiert. Es scheitert meiner Ansicht nach an Kostenfragen und an der Angst, dass die Straßenbahn den Autofahrern Platz wegnehmen könnte. (Machbarkeitsstudie Roßdorf)

c) Unklares

  1. Die DUH hat Hessen für seine unzureichenden Luftreinhaltepläne verklagt, und damit auch Darmstadt. Aktuell wurden die Umweltzone (grün) und ein sehr gutes LKW-Durchfahrtverbot beschlossen. Und ein dubioses „Luftreinhaltung durch Verkehrsverflüssigung“, also LSA-Optimierung und eine Einschränkung der ÖPNV-Bevorrechtigung (ÖPNV soll nur noch freie Fahrt bekommen, wenn er zu spät ist).
    Was (auch bei der Fortschreibung im September 2017) nicht beschlossen wurde: Tempolimit, Pförtnerampeln, Fahrverbote, Citymaut. (Blog)

d) Zukünftiges

  1. Der geplante Radschnellweg Darmstadt-Frankfurt wird finanziell wohl an den Kommunen hängenbleiben. Das bedeutet lange Planungszeiten und ungewisse Realisierungen vor allem der schwierigen Punkte wie Brücken und Kreuzungen.
    Ausserdem wurden die Breiten gegenüber dem Radschnellweg Ruhr pauschal um einen Meter reduziert. (Blog)
  2. Der Lastenradverleih Heinerbike wird wohl Ende 2017 / Anfang 2018 starten. (Blog)

Wege zu einem attraktiven Darmstadt 2030

Attraktivität für Fußgänger erhöhen

  • konsequentes Freihalten der Gehwege von parkenden Fahrzeugen
  • Verzicht auf Zwangs-Wartezeiten an Ampeln („Bettelampeln“)

Attraktivität für Radfahrer erhöhen

  • durchgängige Radverkehrsanlagen
  • Aufhebung von Benutzungspflicht
  • Neuaufteilung der zur Verfügung stehenden Fläche zugunsten des Radverkehrs
  • Ausweisung eines Radroutennetzes abseits der Hauptverkehrsstraßen
  • Errichtung von dezentralen Radabstellanlagen in Wohngebieten
  • flächendeckend Tempo 30, auch auf Hauptverkehrsstraßen

Attraktivität für Autofahrer verringern

  • Verringerung des zur Verfügung stehenden öffentlichen Parkraumes
  • Erhebung von flächendeckenden Parkgebühren
  • Verzicht auf jeglichen Straßenneubau, auch auf bereits fertig geplante Straßen wie die Westtangente
  • Verzicht auf riesige Parkplätze vor Supermärkten durch Anpassung der Stellplatzsatzung
  • Änderung des Stellplatzschlüssels in Wohngebieten
  • Errichtung von Pförtnerampeln.
  • Einführung einer Citymaut

Attraktivität des ÖPNV erhöhen

  • Einführung eines Bürgertickets
  • Planung und Bau von neuen Strecken ins Umland
  • Ertüchtigung der vorhandenen Strecken (z.B. Odenwaldbahn elektrifizieren, zweispurig ausbauen)
  • attraktive Bahnhöfe
  • attraktiverer Takt für die Straßenbahn-Anbindung der Bahnhöfe
  • Einführung von Schnellstraßenbahnen zu wichtigen Umsteigepunkten, z.B. Böllenfalltor

Abhängigkeit vom Auto vermindern

  • Einführung eines Lieferservices mit Lastenrädern
  • Förderung von Carsharing-Parkplätzen im öffentlichen Raum

 

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